Das Archiv seltener Arten wird laufend erweitert.
Derzeit gibt es hier Minihörspiele zu den unten stehenden Pflanzen. Zum Hören bitte auf den eingebetteten Link klicken:
- Leontopodium alpinum – Edelweiß
- Ophrys insectifera – Fliegen-Ragwurz
- Drosera rotundifolia – Rundblättriger Sonnentau
- Draba sauteri – Sauters Felsenblümchen
- Stratiotes aloides – Krebsschere
- Pulsatilla vulgaris – Gewöhnliche Küchenschelle
- Cerastium subtetrandrum – Vierzähliges Niedrig-Hornkraut
- Myricaria germanica – Deutsche Tamariske

Ophrys insectifera – Fliegen-Ragwurz
Rote Liste Oberösterreich: Gefährdet
Gefährdungsursache: Industrielle Landwirtschaft
Komposition: Isabella Forciniti | Elektronik (Zithersamples von Martin Mallaun) | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
Let’s talk about sex, baby!
Unter den 72 wild vorkommenden Orchideenarten Österreichs hat die Gattung Ragwurz wohl das extravaganteste Sexualleben. So wird z B. die Fliegen-Ragwurz ausschließlich von einer einzigen Grabwespenart, Argogorytes mystaceus bestäubt – und das bei einer Auswahl aus ca. 40.000 Insektenarten, die in hierzulande vorkommen!
Die Blüten dieser Orchidee imitieren das Aussehen und vor allem den unwiderstehlichen Duft einer weiblichen Grabwespe. Wenn nun liebestolle Grabwespen-Männer umherirren und keine willige Partnerin finden, kommt ihnen die Fliegen-Ragwurz gerade recht. Ob die Bestäubung Spaß macht, ist nicht sicher überliefert… Der Pflanze hilft‘s auf jeden Fall – ein beeindruckendes Beispiel für die manchmal fast unglaublichen Einfälle der Evolution!
Foto: ©Martin Mallaun

Drosera rotundifolia – Rundblättriger Sonnentau
Rote Liste Oberösterreich: Gefährdet
Gefährdungsursachen: Moorzerstörung, atmosphärische Stickstoffeinträge, Klimawandel
Komposition: Ixta Rodero Gil | Zither: Jonathan Fiegl | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
Fleischtiger
Moore sind extreme Biotope, die hohe Ansprüche an ihre Bewohner stellen. Vor allem Hochmoore weisen stark saure und nährstoffarme Böden auf. Dementsprechend überleben hier nur spezialisierte Tier- und Pflanzenarten. Viele davon haben durch die Moorzerstörung der letzten Jahrzehnte enorme Bestandseinbußen erlitten und finden sich nun auf den Roten Listen gefährdeter Arten.
Die Stickstoffarmut der Hochmoorböden hat bei einigen Pflanzen zu einer bemerkenswerten Anpassung geführt: So findet man in unseren Mooren mehrere fleischfressende Pflanzenarten, wie z. B. den rundblättrigen Sonntentau (Drosera rotundifolia). Was auf den Blättern dieser Pflanze wie Tau in der Sonne glitzert, ist in Wahrheit eine klebrige, ätzende Flüssigkeit. Insekten, die sich auf das Blatt setzen, um Tautropfen zu trinken, bleiben kleben und werden bei lebendigem Leibe verdaut. Der Sonnentau zerlegt die Proteine der gefangenen Tiere und baut sie in seine eigenen Eiweiße ein. Eine geniale Methode, um den Stickstoffmangel im Hochmoor zu kompensieren.
Foto: ©Martin Mallaun

Draba sauteri – Sauters Felsenblümchen
Rote Liste Oberösterreich: sehr seltene (potenziell gefährdete) Art
Gefährdungsursache: Klimawandel
Komposition: Fredrik Storsveen | Zither: Selina Auböck, Theresa Ducho, Leonie Felbinger | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
Lonesome Rider
Endemiten sind Pflanzenarten, die nur sehr begrenzte Areale besiedeln – Sauters Felsenblümchen kommt z. B. weltweit nur in einem kleinen Bereich der nordöstlichen Kalkalpen und im Lungau vor. Der Hauptgrund dafür ist die eiszeitliche Florengeschichte: Während der Eiszeiten waren die Alpen großräumig von Gletschern bedeckt. Um zu überdauern, mussten alpine Pflanzenarten an den Alpenrand oder auf eisfreie Gratlagen ausweichen. Einige, wie Sauters Felsenblümchen schafften es nach der Eiszeit nicht mehr, ihr ursprüngliches Areal zu besiedeln und blieben weitgehend auf diese Refugialgebiete beschränkt.
Nun könnte es sein, dass der menschengemachte Klimawandel dieser einzigartigen Pflanze endgültig den Garaus macht. Derzeit besiedelt sie ausschließlich die oberste Etage im Gebirge, da sie zwar kälteresistent, aber auch sehr konkurrenzschwach ist. Steigen die Durchschnittstemperaturen, kann diese Art daher kaum noch nach oben ausweichen. Und wenn sie einmal auf die allerhöchsten Gipfel verdrängt ist, kann Sauters Felsenblümchen nur noch „in den Himmel“ wandern … Ein Schicksal, das bis Ende des 21. Jahrhunderts einen großen Teil der alpinen Flora in Europa ereilen wird.
Foto: ©Harald Pauli

Stratiotes aloides – Krebsschere
Rote Liste Oberösterreich: Vom Aussterben bedroht
Gefährdungsursache: Lebensraumzerstörung
Komposition: Jadwiga Frej | Elektronik (Zithersamples von Jonathan Stängl) | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
Klonkrieger am Trockenen
Die Krebsschere ist mit ihrer Lebensweise und Vermehrungsbiologie hervorragend an das Leben in Altarmen dynamischer Tieflandflüsse angepasst. Zwar bildet die Pflanze hübsche weiße Blüten aus, sexuell ist sie trotzdem sehr träge. Durch intensive Sprossteilung kann sich ein einziges Exemplar der Krebsschere zigtausendfach asexuell klonen und so ganze Gewässer und Kanäle „verstopfen“. Mit ihrem massenhaften Wuchs trägt sie aber auch zur Verlandung dieser Gewässer bei. Deshalb ist die Krebsschere auf periodisch neu entstehende Altarme angewiesen, die sie bei Überflutungen besiedelt. Eine perfekte Anpassung also an einen dynamischen Lebensraum.
Pech nur, dass in Mitteleuropa durch Flussverbauungen und Kraftwerke kein einziger Tieflandfluss mit natürlicher Dynamik erhalten ist. Mit den prachtvollen Auwäldern ist auch der Lebensraum für unzählige Pflanzen- und Tierarten verschwunden. Würde man der Natur diese Flächen zumindest teilweise zurückgeben, hätte das viele positive Auswirkungen. Verschwundene und gefährdete Arten würden wieder zurückkehren, der Hochwasserschutz würde wirksamer, vor allem aber: Wir bekämen wieder vitale Natur inmitten unserer monotonen Landschaften.
Foto: ©Nationalpark Donau-Auen/Baumgartner

Leontopodium alpinum – Edelweiß
Rote Liste Oberösterreich: nicht gefährdet
Gefährdungsursache: menschliche Sammelwut
Komposition: Dominik Leitner | Zither: Jonathan Stängl | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
“Every morning you greet me…”
Das Edelweiß ist der alpine Mythos schlechthin und darf als Werbeträger für Denkbares und Undenkbares herhalten – kaum ein Tourismusort in Österreichs Alpen ohne „Pension Edelweiß“, Zitherclubs, Alpenvereine, Designerbrillen, Zahnseide, ein Musicalsong, Weißbier, eine Fluggesellschaft, Klettergurte, Immobilienfirmen (no na), Mountainbikes, ein Schießclub, Apotheken, ein Pferdegnadenhof, Trachtengruppen, Jodelclubs, Dessous…. Vielen Dank auch.
In Österreich ist das Edelweiß in den Blaugrashalden der Kalkalpen keine seltene Pflanze – dabei wäre ihr die Sammelwut im 19. Jahrhundert beinahe gefährlich geworden. Zum Run trugen nicht zuletzt Kaiser Franz Joseph und seine Sissi bei. Allerdings wurde das Edelweiß bei uns schon 1886 (!) unter strengen Schutz gestellt und gilt heute als ungefährdet. Man sieht, Homo sapiens ist manchmal auch lernfähig.
Foto: ©Martin Mallaun

Pulsatilla vulgaris – Gewöhnliche Küchenschelle
Rote Liste Oberösterreich: Vom Aussterben bedroht
Gefährdungsursachen: landwirtschaftliche Intensivierung, Verbauung, atmosphärische Stickstoffeinträge
Komposition: Alireza Shahabolmolkfard | Zither: Magdalena Scheck, Jonathan Stängl, Jonathan Fiegl | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
Weniger ist mehr
Während man uns weismacht, die Wirtschaft könne nur durch permanentes Wachstum und steigenden Ressourcenverbrauch überleben, macht es die Natur seit Jahrhundertmillionen vor: Der größte Reichtum entsteht in der Genügsamkeit. Gerade Trockenrasen, deren magere Böden sich durch Wasser- und Nährstoffmangel auszeichnen, zählen zu den artenreichsten Biotopen Österreichs. Hier findet man nicht nur eine Vielzahl höchst attraktiver Blütenpflanzen (wie die Gewöhnliche Küchenschelle), sondern auch unzählige Heuschreckenarten, Schmetterlinge, Laufkäfer und sonstiges Getier.
Leider passen Trockenrasen so gar nicht ins profitmaximierte Weltbild heutiger (Land-)Wirtschaft. Die Flächen wurden in den letzten Jahrzehnten daher großteils durch Düngung zerstört, aufgeforstet oder fielen der Verbauung zum Opfer. Die verbleibenden Restflächen kämpfen vielerorts mit der Überdüngung durch atmosphärische Stickstoffeinträge und so bleibt Umweltschützern nur eines, um die Gewöhnliche Küchenschelle auf den letzten Standorten in Österreich zu erhalten: eine Schere in die Hand zu nehmen und die Küchenschellen händisch von der Konkurrenz durch Nachbarn zu befreien. Pulsi sagt „Danke“.
Foto: ©Martin Mallaun

Cerastium subtetrandrum – Vierzähliges Niedrig-Hornkraut
Rote Liste Oberösterreich: nicht klassifiziert
Gefährdungsursache: Industrielle Landwirtschaft
Komposition: Paquito Chiti | Zither: Selina Auböck, Theresa Ducho, Leonie Felbinger, Magdalena Scheck, Jonathan Stängl, Jonathan Fiegl | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
Ein Hoch der Straßenmeisterei!
Das Vierzählige Niedrig-Hornkraut besiedelt einen der seltensten Lebensräume Österreichs: Salzböden im burgenländischen Seewinkel. Diese vegetationsarmen Standorte beherbergen exotische Arten, die ihren Verbreitungsschwerpunkt an fernen Meeresküsten oder in iranischen Salzwüsten haben. Leider geht es dem Vierzähligen Niedrig-Hornkraut im Seewinkel schön langsam an den Kragen: Durch die intensive Landwirtschaft sinkt der Grundwasserspiegel zusehends und die Salzböden verlieren ihren Salzgehalt. Mit dem Lebensraum verschwinden auch all die hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten.
Beinah müsste man sich Sorgen um diese – zugegebenermaßen hässliche – Pflanzenart machen, wären nicht die Straßenmeistereien in Oberösterreich so umweltfreundlich, mit der winterlichen Salzstreuung neue Lebensräume für das Vierzählige Niedrig-Hornkraut zu schaffen. Und so erfreut sich dieses unscheinbare Pflänzchen eines zweiten Lebens entlang der Asphaltwüsten von Linz und anderswo.
Foto: ©Jacob Sturm

Myricaria germanica – Deutsche Tamariske
Rote Liste Oberösterreich: Ausgestorben
Gefährdungsursache: Lebensraumzerstörung
Komposition: Michael Mikolasek – Zither: Jonathan Fiegl | Text & Stimme: Elisabeth R. Hager
dead and gone
Sie ist eine unscheinbare Zeitgenossin: ein zerzauster Strauch mit winzigen Blättern, den meisten anderen Holzpflanzen in der Konkurrenz um Licht unterlegen. In ihrem Habitat – vegetationsarme Schotterbänke der Alpenflüsse – ist sie allerdings Alleinherrscherin. Die Deutsche Tamariske benötigt für ihr Überleben Hochwässer, die das Flussufer regelmäßig umlagern und botanische tabula rasa schaffen. Was für den Menschen wie eine Katastrophe wirkt, ist für die Tamariske und alle anderen Arten ihres Ökosystems überlebensnotwendig.
Durch die extensive Flussverbauung in ganz Mitteleuropa wurde die einstmals häufige Art an den Rand der Ausrottung gebracht, bzw. wie in Oberösterreich gänzlich ausgerottet. Und mit ihr all die anderen wunderbaren Bewohner der alpinen Flussufer: Pflanzen, Laufkäfer, Spinnen, Heuschrecken, Vögel.
Funny Fact: In Neuseeland ist die deutsche Tamariske ein invasiver Neophyt, der die einheimische Flora durch seine Ausbreitung bedroht. Abhilfe würde hier wohl die Verbauung der neuseeländischen Flussufer schaffen …
Foto: ©Lena Nicklas